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24.03.2024, 13:17 Uhr
Vergrämung mit Greifvogel: Ein Falkner gegen Saatkrähen
Sie sind laut und machen Dreck: Saatkrähenkolonien sind an vielen Orten ein Problem. Aber nicht mehr in den Gemeinden Puchheim, Gröbenzell und Umgebung – dank Leo Mandlsperger. Wie er es schafft, Menschen und Krähen zu ihrem Recht kommen zu lassen.
Von
Franziska Klein
Über dieses Thema berichtet: Schwaben + Altbayern am 24.03.2024 um 17:45 Uhr.
Sieben Uhr morgens bei einer Kleingartenanlage in Eichenau östlich von München: Leo Mandlsperger macht sich bereit. Er streift einen dicken Lederhandschuh über, hängt eine Tasche voller Fleisch um – und holt einen großen Greifvogel vom Beifahrersitz: einen amerikanischen Wüstenbussard namens "Hermine". Leo Mandlsperger ist Falkner. Neben der Zucht von Greifvögeln und dem Trainieren der Vögel für Filmaufnahmen hat er seit 14 Jahren ein weiteres Geschäft: Saatkrähen vergrämen.
Krähengeschrei von 5 Uhr morgens bis halb 9 Uhr abends
Wie hier an der Kleingartenanlage in Eichenau. Dort hat sich vor einem Jahr eine Kolonie Saatkrähen zum Brüten niedergelassen – zum Leidwesen der Anwohner. "Die fangen um fünf Uhr in der Früh an und schreien zwei Monate lang den ganzen Tag, während die Jungen aufgezogen werden, bis um halb neun in der Nacht", erklärt er. "Wir haben immer wieder die Beschwerden: Die Krähen scheißen in die Kaffeetasse, während wir auf der Terrasse sitzen."
Saatkrähen sind schlau – Falkner muss erfinderisch bleiben
Damit das dieses Jahr nicht passiert, ist Mandlsperger vorbereitet: Seit Mitte Februar fährt er jeden Morgen zur Kolonie und lässt bei voller Fahrt seinen Vogel aus dem geöffneten Fenster fliegen. Was nach Showeffekt aussieht, hat einen ganz bestimmten Grund. Saatkrähen sind schlau. Sie erkennen Leo Mandlsperger, sein Auto und auch den Vogel Hermine. Entsprechend erfinderisch muss er bleiben.
Neben der Verwendung verschiedener Vögel gehört dazu auch, den Vogel nicht vom Boden aus starten zu lassen, sondern aus dem fahrenden Auto. "Da ist praktisch der Schreck ein bisschen größer, wenn der Vogel plötzlich erscheint", erklärt er.
Saatkrähen sollen sich neuen Brutplatz suchen
Das Ziel: Die Saatkrähen sollen sich einen anderen Brutplatz suchen – fernab von Menschen. In der Regel gelingt Mandlsperger das innerhalb weniger Wochen. Manchmal braucht es ein wenig länger, aber am Ende gewinnt meistens er. "Geht nicht, gibt's nicht", erklärt er. "Das ist eine Sache des Aufwands." Aufwand, der sich lohnt. Denn die Kleingartenanlage in Eichenau ist nicht der einzige Ort, der immer wieder mit Saatkrähen zu kämpfen hat.
Keine Krähenplage in Puchheim mehr
Auch ein Friedhof in Puchheim war jahrelang Krähenhotspot. Angefangen 2011 mit zehn Krähenpaaren, haben sich hier innerhalb weniger Jahre über 450 Paare angesiedelt. Die Stadt hat zwar versucht, des Problems Herr zu werden, und Maßnahme über Maßnahme ausprobiert. Aber "Luftballons aufhängen, wo sich die Krähen angeblich gestört fühlen, oder Birdguards, wo eine sterbende Krähe zu hören ist – es hat überhaupt nichts gebracht", erinnert sich Dana Fritzenschaft.
Sie war eine der betroffenen Anwohner und hat damals eine Bürgerinitiative zur Vertreibung der Saatkrähen gegründet. "Bei Beerdigungen konnte man den Pfarrer kaum verstehen. Die Gräber wurden attackiert, die Blumen rausgerissen, die Grabsteine waren vollgekotet", erinnert sie sich an die damaligen Umstände. "An der Bushaltestelle hatten Menschen im Sommer mit einem Regenschirm gestanden." Bis zu 96 Dezibel an Krähengeschrei wurden damals vor ihrer Haustür gemessen. Erst mit Leo Mandlsperger und seinen Greifvögeln wendet sich das Blatt.
Ausgewiesene Brutplätze am Rand der Stadt
Inzwischen ist der Friedhof krähenfrei und die Krähen nisten an ausgewiesenen Brutplätzen am Rand der Stadt. Denn so sehr sie die Anwohner stören, Saatkrähen sind in Deutschland geschützte Tiere. Auch Leo Mandlsperger ist nicht per se gegen die Krähen. Vielmehr wünscht er sich, dass Menschen und Krähen friedlich nebeneinander existieren können. Etwa, indem die Krähen in ihre angestammten Habitate zurückkehren, das sind Feldgehölze.
Warum das bislang allerdings nicht immer der Fall ist, darüber kann selbst er nur mutmaßen. "Ich denke, dass sie irgendwo außerhalb illegal vergrämt werden", erklärt er. Denn dann wären sie in ihrer Not gezwungen, schnell neue Brutplätze zu suchen und sich in der Nähe von Menschen niederzulassen. Wächst eine junge Krähe dort auf, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst zum Brüten wieder an diesen Ort zurückkehrt, höher. Ein ewiger Kreislauf.
Falkner sorgt vor - jeder Tag zählt
Entsprechend bedeutend ist es, dass Leo Mandlsperger Jahr für Jahr konsequent gegen die Krähen vorgeht. Und zwar nicht nur, wenn es schon zu spät ist, sondern auch prophylaktisch, indem er ab Anfang Februar in den ehemals betroffenen Gegenden Patrouille fährt. Fällt ihm etwas Ungewöhnliches auf, kann er schnell handeln. Je früher er die Krähen vertreibt, desto besser. Denn Ende März fangen diese an, Eier zu legen. Ab diesem Zeitpunkt will und darf Leo Mandlsperger sie nicht mehr vertreiben.
Bis dahin zählt allerdings jeder einzelne Tag. Lässt er nur einen aus, kann es sein, dass seine ganze Arbeit umsonst war. Denn aus anfänglich zehn Krähennestern können schnell einmal 50 oder 100 werden.
Gewappnet für die Tricks der Krähen
Und nicht nur das. "Die Krähen haben gute Tricks drauf", erklärt Leo Mandlsperger. "Die wissen genau, wann du zum Essen fährst. Die warten schon darauf, mit den Stöcken im Schnabel. Dann fährst du mit deiner Mannschaft zum Essen, kommst zurück, und es sind zehn neue Nester gebaut."
Aber genauso wie die Krähen inzwischen den Falkner kennen, kennt Leo Mandlsperger nach 14 Jahren auch die Krähen und weiß sich gegen die Tricks zu wehren. Das Mittagessen wird kurzerhand von der Bäckerei zur Kolonie verlegt. Nur so schafft es Leo Mandlsperger Jahr für Jahr, die Krähen aus den Gemeinden fernzuhalten.
Inzwischen ist auch die Kleingartenanlage in Eichenau krähenfrei. Aber bis er sich für dieses Jahr entspannt zurücklehnen kann, dauert es noch. Aus Erfahrung weiß er: "Ab Mitte März wird's schon noch mal kernig und spannend, weil da entscheidet sich, wer gewonnen hat."
Wildtiere in der StadtCandle-Light-Dinner auf dem Friedhof
19. Mai 2025, 15:49 Uhr|
In Unterhaching traut man den schwarzen Vögeln mittlerweile vieles zu, warum also nicht auch das? Denn der Ärger mit den schlauen Tieren, die hoch über den Gräbern in Kolonien brüten und ihre Hinterlassenschaften nun mal nicht selbst wegputzen, beschäftigt die Gemeinde mittlerweile seit Jahren.
Ein Unterhachinger hat das Grab seiner Eltern mit Plastikfolie überzogen, um es vor Krähenkot zu schützen. Auf einem Zettel kritisiert er die Untätigkeit der Gemeinde.(Foto: Claus Schunk)
Vor allem von März bis Mai, wenn die Vögel brüten, häufen sich stets die Beschwerden im Unterhachinger Rathaus über das Gekrächze aus den Baumwipfeln und die Verschmutzung der darunterliegenden Gräber. 89 Nester gibt es aktuell auf dem Friedhof, immerhin einige weniger als in den Jahren zuvor. Den Angehörigen, die eine Ruhestätte in diesem Bereich pflegen, stinkt es weiterhin gewaltig. Teilweise wurden die Gräber mit Folie umwickelt. Das schont vor allem den Grabstein, denn Vogelkot enthält Säure und kann diese nachhaltig schädigen. Ein schöner Anblick ist das aber nicht. Ein Betroffener hat einen Zettel am Grabstein angebracht, auf dem er seine toten Eltern um Verzeihung bittet. Er habe die Gemeinde noch nicht dazu bewegen können, „gegen den entwürdigenden Krähenbeschiss vorzugehen“.
„Die Krähen am Friedhof sind mir lieber als in den Ortsgebieten“, sagt der Bürgermeister
Dass der Mann nun Klage gegen die Gemeinde eingereicht hat, nimmt der Bürgermeister zur Kenntnis. Die Gemeinde hat den Betroffenen angeboten, die Steine einzuwickeln oder die Gräber zu verlegen. (Anmerkung Neumann: So ein Angebot, selbstverständliich auf Kosten der Gemeinde, wurde mir als "Betroffener" noch nicht gemacht.) Gegen die Vögel kann sie aktuell nichts machen. Mögliche Vergrämungsmaßnahmen seien von der Regierung von Oberbayern angelehnt worden. Schließlich gelte für die Saatkrähen noch immer ein erhöhter Schutz. Und man weiß im Rathaus auch: Verscheucht man die Vögel, verlagert man das Problem nur an einen anderen Ort. Der Bürgermeister sagt: „Die Krähen am Friedhof sind mir lieber als in den Ortsgebieten.“
Krähen nisten schon seit Jahren auf dem Unterhachinger Friedhof.(Foto: Claus Schunk)
Es gab immer wieder Initiativen, etwa im vergangenen Jahr von Freien Wählern und CSU im bayerischen Landtag, den Schutzstatus von Saatkrähen herabzusetzen. Der Vorstoß ist allerdings im Bundesrat gescheitert. Der Vogel gilt weiterhin als besonders geschützte Tierart. Panzer verweist bei dieser Diskussion auf den Umgang mit dem Wolf, dessen Schutzstatus nun doch gesenkt wurde. Vor wenigen Tagen hat das EU-Parlament zugestimmt, ihn von „streng geschützt“ auf „geschützt“ herabzustufen. Mit Wölfen täte sich die Gemeinde Unterhaching und ihr Jagdgenossenschafts-Vorsitzender aus dem Rathaus also leichter. Ob die auch Grabkerzen fressen, ist nicht bekannt. Zumindest wurde noch kein Wolf auf dem Unterhachinger Friedhof gesehen.
BR24
14.05.2025, 05:30 Uhr
ursprünglich mit Videobeitrag
Ein Ort der Stille? Vogelschutz kontra Friedhofsfrieden
Wer auf den Friedhof in Unterhaching kommt, hört und sieht zuerst: Krähen. Sie sind laut und ihr Kot verteilt sich über etliche Grabsteine. Die Verzweiflung bei Friedhofsbesuchern ist groß, denn gegen Krähen darf nicht vorgegangen werden.
Von
Lara Brüggemeier
Über dieses Thema berichtet: Abendschau am 14.05.2025 um 18:00 Uhr.
Ein Ort der Ruhe ist der Friedhof im Münchner Vorort Unterhaching schon lange nicht mehr. Statt Vogelgezwitscher hallt lautstarkes Gekrächze durch die Bäume – über 70 Krähenpaare nisten in der Brutzeit direkt über den Gräbern. Für viele Angehörige ist das untragbar – der Gemeinde sind jedoch die Hände gebunden.
"Dauerbeschuss" durch die Saatkrähen
Georg Neumann, dessen Eltern auf dem Unterhachinger Friedhof beerdigt sind, hat genug. Seitdem die Grabstätte seiner Familie massiv mit Kot verunreinigt wurde, fühlt er sich von der Gemeinde im Stich gelassen. "Mir geht es darum, dass der Friedhof wieder ein würdiger Ort wird", sagt er. Stattdessen erlebe er jedes Jahr zwischen März und Mai das Gleiche: "Dauerbeschuss" durch die Saatkrähen.
Neumann verweigert deshalb die Zahlung der Grabnutzungsgebühr – und hat dafür bittere Konsequenzen erfahren: "Die Gemeinde hat meine Konten gepfändet", erzählt er. Inzwischen hat er sogar Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht – fordert Maßnahmen gegen die Krähen und ein symbolisches Schmerzensgeld.
Krähen stehen unter strengem Schutz
Das Problem: Die Saatkrähe steht unter strengem Naturschutz. Ein Entfernen der Nester ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Regierung von Oberbayern erlaubt. Unterhachings Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) zeigt Verständnis für den Ärger der Bürger – sieht sich aber rechtlich nahezu handlungsunfähig: "Alle Maßnahmen brauchen Genehmigungen. Selbst das Fällen der Bäume auf dem Friedhof wäre naturschutzrechtlich kaum möglich."
Seit über zehn Jahren versuche die Gemeinde bereits, das Problem mit sogenannten Vergrämungsmaßnahmen zu lösen – darunter laute Geräusche, Böllerschüsse und sogar Goaßlschnalzer. Erfolg: mäßig. "Wir haben die Krähen damit nur verteilt, aber nicht verdrängt."
Ein Friedhof unter Planen
Aktuell bleibt der Gemeinde nur ein Mittel: Die betroffenen Gräber mit Planen zu verhüllen. Für Friedhofsgänger Neumann jedoch keine Lösung: "Das schützt den Stein, aber ändert nichts an dem unwürdigen Zustand." Er bot sogar an, auf eigene Kosten Schutznetze anzubringen – erhielt darauf jedoch keine Rückmeldung, wie er sagt.
Die Gemeinde betont hingegen, man habe betroffenen Angehörigen auch die Möglichkeit zur Umbettung angeboten. Bei Neumann sei unklar, ob ihm dies explizit vorgeschlagen wurde. Bürgermeister Panzer: "Wenn er das möchte, kann er die Verlegung beantragen – kostenlos ist das aber nicht."
Schutzstatus noch zeitgemäß?
Unterhaching steht mit dem Problem nicht alleine da. In vielen Gemeinden des Landkreises München breiten sich Krähenpopulationen aus. Panzer fordert deshalb ein Umdenken auf höherer Ebene: "Wie beim Wolf muss man auch hier neu bewerten, ob der Schutzstatus noch zeitgemäß ist. Sonst erreichen wir keine echte Lösung."
Für Georg Neumann geht es derweil um mehr als eine juristische Auseinandersetzung. Es geht um Respekt: "Wenn sich nichts ändert, dann eignet sich dieser Teil des Friedhofs nicht mehr für Gräber. Dann muss die Gemeinde Umbettungen ermöglichen."
Ob es eine Annäherung zwischen Gemeinde und Kläger geben wird, ist offen. Bürgermeister Panzer ist skeptisch: "Ich bin gesprächsbereit, aber er war keiner Lösung aufgeschlossen." Die nächste Runde wird wohl vor Gericht ausgetragen – während die Krähen unbeirrt weiter nisten.
Streit um Krähenplage auf Friedhof spitzt sich zu: Betroffener legt sich mit Gemeinde an
12.05.2025, 06:34 Uhr
Von: Martin Becker
Eingehüllt in Folie: Das Grab der Familie Neumann in Unterhaching ist von den Hinterlassenschaften der Krähen besonders betroffen. © Martin Becker
Der Ärger über die Krähenplage am Unterhachinger Friedhof spitzt sich weiter zu. Weil die Gemeinde nichts gegen die Tiere, die sämtliche Gräber mit Kot verschmutzen, unternimmt, geht ein Betroffener nun auf die Barrikaden und weigert sich, die Grabgebühren zu bezahlen.
Unterhaching - Der Disput zwischen Friedhofsbesuchern und der Gemeinde Unterhaching wegen der seit vielen Jahren intensiven Krähenplage über den Gräbern spitzt sich zu. Eigeninitiative, Falkner-Idee, Kontopfändung – das Thema bleibt eins, das die Menschen aufregt. Einer der besonders Betroffenen, Georg Neumann, schrieb nicht nur einen Leserbrief, sondern weigert sich mittlerweile, die Grabnutzungsgebühren (413 Euro für sieben Jahre) an die Gemeinde zu zahlen. Der 76-Jährige bezieht sich auf Paragraph 2 der kommunalen Satzung nur Nutzung des Gemeindefriedhofs Unterhaching. Darin heißt es wörtlich: „Der gemeindliche Friedhof ist insbesondere den verstorbenen Gemeindebewohnern als würdige Ruhestätte und zur Pflege ihres Andenkens gewidmet.“ Eine Regelung, der die Gemeinde nach Auffassung von Georg Neumann nicht nachkommt, wurde die also vertragsbrüchig? Deshalb hat er seine Zahlungen einbehalten – mit drastischen Folgen: Im April erwirkte die Gemeinde einen Kontopfändungsbeschluss gegen den Unterhachinger.
Zettel am Grab: „Liebe Eltern, wir bitten um Verzeihung“
Ein Vor-Ort-Termin am Familiengrab zeigt das Ausmaß der Krähenplage, Georg Neumann spricht von „Entwürdigung durch Krähenbeschiss“. Der Baum überm Grab ist voll mit Krähennestern, ihre Hinterlassenschaften sind nicht zu übersehen, das Grab sieht aus wie mit Farbe besprenkelt. Bloß, dass es sich um Kot handelt. „Beschissene Gräber“ seien dies, schimpft der Unterhachinger. Am Grabstein hat er einen roten Zettel befestigt, darauf steht: „Liebe Eltern, wir bitten um Verzeihung, dass wir die Gemeinde noch nicht dazu bewegen konnten, gegen den entwürdigenden Krähenbeschiss vorzugehen.“ Eine Entschuldigung an die 2005 und 2010 verstorbenen Eltern, deren mit Plastikfolie umhülltes Grab von den Spuren als Krähen-Toilette gezeichnet ist.
„Liebe Eltern, wir bitten um Verzeihung“: Diesen Zettel hat Georg Neumann auf dem Familiengrab angebracht. © Martin Becker
Nun also soll Georg Neumann sein Konto pfänden lassen, nichtsdestotrotz unterbreitet er der Gemeinde einen Vorschlag, übermittelt über den Dritten Bürgermeister Richard Raiser (CSU). Der 76-Jährige will „in Eigenregie und auf eigene Kosten“ Schutznetze anbringen, wie sie beispielsweise in Oliven- oder Nussbaumplantagen üblich sind. „Die Netze hindern die Krähen nicht am Fliegen, aber wohin ihr Dreck hinfliegt, ist den Vögeln egal.“ Dass all die Kacke im Netz statt auf dem Grabstein landet: Das wäre Georg Neumanns Wunsch. „Ich will damit beweisen“, sagt er, „ dass es möglich ist, die unwürdigen Zustände auf dem Unterhachinger Friedhof zu beenden. Die Situation ist mittlerweile so schlimm, dass ein Versuch gerechtfertigt ist.“
Das sagt die Gemeinde dazu
Falkner, Netze, Kontopfändung – was sagt die Gemeinde dazu? Rathaussprecher Simon Hötzl gibt die Antworten.
- Falkner-Einsatz: „Wir beurteilen das anders. Die Regierung von Oberbayern hat uns diese Vergrämungsmaßnahme am Friedhof nicht genehmigt. Außerdem ist der Kosten-Nutzen-Faktor höchst umstritten.“
- Schmorellstraße: „Anders als am Friedhof handelt es sich dort um Bäume und Krähennester auf Privatgrund. Eine Vergrämungsmaßnahme in Form von Baumrückschnitt ist dieser Tage erfolgt, weil eine entsprechende Erlaubnis der Behörden vorlag, im Gegensatz zum Friedhof.“
- Kotschutznetze: „Wir prüfen in aller Ernsthaftigkeit, ob diese Lösung etwas bringt. Aber, unter dem Aspekt der allgemeinen Sicherheit, kann natürlich nicht irgendwer Netze aufspannen.“
- Kontopfändung: „Das ist ein ganz normaler Verwaltungsvorgang, wenn jemand seine Gebühren nicht bezahlt – emotionale Befindlichkeiten spielen bei der sachlichen Beurteilung keine Rolle..
In anderen Gemeinden funktionieren Gegenmaßnahmen
Im Schaukasten am Friedhofseingang informiert das Rathaus derweil über die „Krähenproblematik auf dem Gemeindefriedhof“ und dass es „seit mehreren Jahren“ nicht gelungen sei, „das Problem in den Griff zu bekommen“. Eine These, die Verwunderung auslöst insofern, dass es anderswo gelingt. Beispielsweise ich Eching, wo der Falkner Leo Mandlsperger es mit seinen Wüstenbussarden geschafft hat, die Krähen zu vertreiben. Nester entfernen, Eier rausholen, schwarze Flaggen, Lärmbeschallung, Drohnen mit Lautsprechern, Spritzaktionen der Feuerwehr – der Falkner kennt all diese Vergrämunungsversuche. „Das ist sinnloses Verschwenden von Steuergeldern“, glaubt er. Der gezielte Einsatz seiner Greifvögel indes jage Krähen panische Angst ein, sie würden dann ihre Nester verlassen und sie woanders bauen. Das Projekt müsse systematisch durchgeführt werden – in Eching hat es funktioniert, warum also nicht auch in Unterhaching?
Folien & Kotschutznetze: Verzweifelter Kampf gegen Krähen auf Unterhachinger Friedhof
Artikel von Sabine Beisken-Hengge
Hallo 3.5.2025
Initiative gegen Krähenschiss
Knapp 40 Gräber auf dem Unterhachinger Friedhof sind mit Vogelkot beschmutzt. Längst diskutierte die Gemeinde darüber - mit ernüchterndem Resultat:
Unterhaching – „Beschissen“, dieses Wort kommt Betroffenen als erstes über die Lippen. Der Grund: Rund 40 Gräber auf dem Unterhachinger Friedhof am Oberweg sind übersät mit Vogelkot. Der kommt von oben. Dort, wo die Saatkrähen derzeit nisten. „Die Bewohner der Nester“, sagt Neumann, „hinterlassen unaufhörlich ihre Spuren.“ 89 Nester hat er gezählt und das Grab seiner Eltern liegt genau unter einem Baum, der stark besiedelt ist.
Neumann findet, die Plastikfolie, die die Gemeinde auf Anfrage überzieht,„unwürdig.“ Eine Dame, die das Grab neben dem der Neumanns pflegt, muss mindestens dreimal die Woche säubern. Denn der Kot sei nicht nur unhygienisch, sondern auch gesundheitsschädlich, meint Neumann, er habe sich belesen. „Die Dame hat geweint, so wie das Grab ausschaut“, sagt der Unterhachinger. Nicht nur ihm stinkt der „Krähenschiss“, wie er sagt, sondern auch den anderen alteingesessenen Familien im Ort. Seit Januar steht er im Austausch mit der Friedhofsverwaltung, um gegen die „unhaltbaren Zustände“ eine Strategie zu entwickeln.
Krähenplage am Friedhof Unterhaching: Auch im Gemeinderat wird diskutiert - Doch Artenschutz begrenzt Handlungsspielraum
Erst kürzlich war die „Krähenplage“ auch Thema im Gemeinderat. Dass die Gemeinde nichts nachhaltig Wirksames unternehmen kann, da die Vögel unter Artenschutz stehen – dafür hat Neumann, der in ständigem und konstruktiven Austausch mit der Gemeinde stehe, sogar Verständnis. Seitens der Verwaltung sei man durch rechtliche Vorgaben dazu gezwungen, auf das Ende der Brutzeit zu warten. Vergrämungsmaßnahmen führten dazu, dass die Vögel sich anderswo niederließen. Damit habe man das Problem nicht gelöst, sondern nur verschoben, sagte Rathaussprecher Simon Hötzl in der Sitzung. Dennoch könne es nicht sein, dass Wohngebiete verschont werden und der Friedhof „geopfert“.
Mit einer neuen Lösung hofft Neumann nun dem Problem zumindest kurzfristig Einhalt gebieten zu können. Auf eigene Kosten will er den Baum über dem Grab seiner Eltern mit einem Kotschutznetz ausstatten. „Ich habe recherchiert. Ohne freiwillige Helfer zu entlohnen, wäre ich bei wenigen hundert Euro für das Equipment.“ Die Gemeinde habe nun erstmals bei ihm nachgefragt, ob er Bezugsquellen kenne. Trotzdem findet er, dass schon zu viel Zeit verstrichen ist. „Es pressiert ja. Im Juni ist die Brutzeit vorbei.“ Ob die Lösung mit den Netzen funktioniert, auch bei Regen, müsse man jetzt testen.
Das sagt der Bund Naturschutz
So verzweifelt die Angehörigen auch sind, soll das „Krähen-Problem“ auch aus Sicht der Naturschützer beleuchtet werden. Hallo hat deshalb mit Stefan König, Gemeinderat der Grünen-Fraktion und Ortsvorsitzender des Bund Naturschutz Unterhaching, über rechtliche Grundlagen und Maßnahmen gesprochen.
Herr König, die Gemeinde hätte vor der Brutzeit „etwas unternehmen“ dürfen. Stimmt das so?
Das stimmt nur zum Teil so. Vergrämungsmaßnahmen können erlaubt werden, sind aber eher kontraproduktiv, verlagern die Kolonien in Wohngebiete und die Anzahl der Kolonien steigt. So auch in Unterhaching.
Welche Maßnahmen sind erlaubt?
Vor allem Baumfällaktionen, Ausschneiden der Tragäste der Nester, Herunterspritzen der Nester vor der Brutzeit, Beschallung durch Warnrufe, mit Klangattrappen als akustische Vogelscheuche oder Abschuss von Böllern, Störung in der Vorbrutzeit durch einen Beizvogel mit einem Falkner sowie Vergrämung der Saatkrähen durch Verscheuchen.
Durch welche rechtliche Grundlage sind die Vögel geschützt?
Die Saatkrähe ist wie alle europäischen Vogelarten eine besonders geschützte Art. Dies ist auch im Bundesnaturschutzgesetz verankert. Sie unterliegt nicht dem Jagdrecht.„Ausstellung“
Neumann macht auch mit einem Aushang im Glaskasten am Friedhof auf die Situation aufmerksam. Die „Ausstellung Beschissene Gräber“ zeige auch Nicht-Betroffenen, „wie die Friedhofskultur verkommt“.
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Attacken und Gräber voller Kot: Krähen auf Unterhachinger Friedhof lassen Angehörige verzweifeln
17.04.2025, 07:00 Uhr
Von: Martin Becker
Mit Plastikfolien verhüllt ist dieses Familiengrab auf dem Unterhachinger Friedhof als Schutz gegen die Krähenkacke. © Martin Becker
In Unterhaching häufen sich Beschwerden über die Krähenplage auf dem Friedhof. Die Tiere beschmutzen nicht nur die Gräber mit ihren Hinterlassenschaften, sondern attackieren auch die Besucher.
Unterhaching - Oben, in den Baumwipfeln, herrscht reger Betrieb. Die Jungen krächzen lauthals nach Futter, die Alten bringen es – 89 Nester von Saatkrähen, so besagt die aktuelle Statistik der Gemeinde Unterhaching, existieren aktuell auf dem Friedhof. Das sind deutlich weniger als 2023 (105) und 2024 (107), „wir zählen sehr genau“, betont Rathaussprecher Simon Hötzl. Doch auch 18 Krähennester weniger als vor einem Jahr lassen den Unmut der Friedhofsbesucher nicht abebben, im Gegenteil: Die Beschwerden häufen sich. Der Münchner Merkur hat sich vor Ort ein Bild von der Situation gemacht.
Gräber übersät mit Hinterlassenschaften
Die vielen Nester sind schon von Parkplatz an der Ottobrunner Straße aus zu sehen, und nach den ersten Metern hinterm Eingang fällt auf, dass der Fußweg besprenkelt ist wie bei mancher Form moderner Kunst. Bloß, dass es sich nicht um Farbkleckse eines Outdoor-Malers handelt, sondern um den Vogelschiss der Krähen. Im Ostteil des Friedhofs ist die Kack-Belastung besonders hoch, aber mittlerweile haben einige Vögel auch den Westteil für sich als Refugium auserkoren. An einem Grab ist eine schwarze Figur übersät mit weißen Hinterlassenschaften, woanders ist ein Familiengrab komplett mit Plastikplanen umhüllt worden. Und bei Friedhofsbesuchern fällt auf, dass ihr Blick ständig nach oben geht. „Die Krähen attackieren uns auch“, berichtet eine ältere Dame. Eine andere Frau fügt hinzu: „Und wenn nicht, dann kacken sie uns halt auf den Kopf.“
Unhygienische Zustände belasten die Angehörigen
Wenn der Friedhofsbesuch zum Spießrutenlauf wird: „Eine öffentliche Diskussion ist dringend erforderlich“, sagt Udo Weller. Der Unterhachinger findet: „Die Anzahl der Vögel ist derart hoch, dass die Hinterlassenschaften – insbesondere Kot – zunehmend Grabsteine, Bänke und Gehwege verunreinigen. Dieser Zustand ist nicht nur unästhetisch, sondern stellt aus hygienischer Sicht eine klare Belastung für trauernde Angehörige und Besucher des Friedhofs dar. Die Würde des Ortes wird damit empfindlich gestört.“
Udo Weller vermisst „konkrete Maßnahmen zur Eindämmung des Problems“, speziell in puncto „Tierabwehr und Sauberkeit“. Denn, nicht nur jetzt an Ostern, wenn mehr Menschen als sonst ihrer verstorbenen Angehörigen gedenken: „Ein Friedhof sollte ein Ort der Ruhe, Würde und des Gedenkens sein – keine Fläche, die Besucher wegen unhygienischer Zustände meiden müssen.“
Vergrämungsmaßnahmen wurden bisher immer abgelehnt
Das Problem ist nicht neu, aber nie gelöst worden – der Münchner Merkur berichtet seit über zehn Jahren immer wieder über die Krähenplage auf dem Friedhof. 2022 gab es im Landtag eine Initiative von CSU und Freien Wählern, die Saatkrähen von der roten Liste besonders bedrohter Tierarten zu streichen, um schärfere Maßnahmen zu ermöglichen, von Vergrämung bis Bejagung. Doch geändert hat sich bis heute nichts: „Der gesetzliche Rahmen ist der gleiche geblieben“, erläutert Rathaussprecher Simon Hötzl. „Wir haben bei der Regierung von Oberbayern mehrfach angefragt wegen Vergrämungsmaßnahmen, diese wurden immer abgelehnt, auch für 2025. Artenschutz geht vor, heißt es. Solange sich der gesetzliche Rahmen nicht ändert, sind uns die Hände gebunden.“
Krähen auf der Liste bedrohter Tierarten
Für die Kritik der Friedhofsbesucher hat Hötzl Verständnis. „In einigen Sektionen sieht es wild aus – glücklicherweise nicht flächendeckend.“ Die Vorschläge aus der Bevölkerung sind dem Rathaussprecher bekannt: „Wir sollen Netze über den gesamten Friedhof spannen. Oder die Krähen am besten gleich abschießen.“ Ausdruck der Verzweiflung – aber juristisch nicht umsetzbar, auf die Gemeinde kämen empfindliche Strafen zu. Deshalb, so Hötzl: „Es wird keine Lösung des Problems geben, solange die Krähen auf der Liste bedrohter Tierarten stehen.“ Immerhin, die Zahl der Nester sei gesunken, „es gibt eine klare Tendenz“. Wohin die Vögel geflogen sind? Keiner weiß es. „Das ist die Natur“, sagt Hötzl. Und er macht den Unterhachingern ein bisschen Hoffnung, zumindest bis zum nächsten Frühjahr: „Im Mai ist die Brutzeit vorbei.“